Liebe Schwestern und Brüder!

Der Übergang zwischen zwei Räume ist die Tür, die Pforte. Das gilt auch für die Zeit-Räume, von einem Tag zum anderen, von einer Woche zur andere, vom vergangenen Jahr zum Neuen Jahr. Wenn ich von einem mir bekannten, gewohnten Raum zu einem neuen, unbekannten Raum einschreite, freue ich mich, wenn jemand an einer offenen Pforte freundlich empfängt. So auch für dieses Neue Jahr. Die Kirche stellt uns die Gestalt Mariens an den Eingang zum Neuen Jahr. Maria empfängt uns und geleitet uns in das Neue Jahr mit Christus, ihrem Sohn. Das eine Lied bringt das zum Ausdruck: Maria, Mutter unsres Herrn, o Himmelspfort, o Meeresstern. Gott hat für seinen Weg zu uns, in unseren Lebens- und Zeitraum, eine Mutter als Pforte gefunden. Nehmen wir ihr Vertrauen, ihren Glauben, ihre Antwort – mir geschehe nach deinem Wort auf und gehen wir mit ihr durch das neue Jahr, hoffnungsvoll.

In Anlehnung an dieses Bild wird auch alle 25 Jahre die Heilige Pforte in Rom geöffnet. Es ist ein Ausdruck des Glaubens, dass Gott uns die Pforten des Heils aufmacht. Natürlich hält Gott uns die Türen auf, hat uns die Pforte des Himmels und seiner Gnade schon längst aufgemacht und nicht mehr zugeschlossen. Wir müssen uns aber das vor Augen immer wieder führen. Deswegen hat der Papst Franziskus das neue Jahr 2025 als Heiliges Jahr aufgerufen und dafür symbolisch die Heilige Pforte in Rom, im Petersdom feierlich geöffnet. Diesem Heiligen Jahr gab Papst Franziskus das Motto „Pilger der Hoffnung“. Das Heilige Jahr soll auch nicht nur in Rom, sondern in Kirchen auf der ganzen Welt begangen werden. Dazu hat unser Erzbischof Reinhard Kardinal Marx in unserem Erzbistum neben dem Münchner Dom noch sechs weitere Jubiläumskirchen benannt. Diese sechs Jubiläumskirchen sind: Jesuitenkirche St. Michael (Dekanat München-Mitte); die Wallfahrtskirche Maria Eich (Dekanat München-Südwest); die Wallfahrtskirche Maria Birkenstein (Dekanat Miesbach); Wallfahrtskirche Maria Eck (Dekanat Traunstein); Wallfahrtskirche Maria Birnbaum (Dekanat Dachau); Basilika Hl. Kreuz, Scheyern (Dekanat Freising).

In den Jubiläumskirchen kann ein Ablass erlangt werden. Alle Gläubigen, die nach Empfang des Bußsakramentes und der Heiligen Kommunion sowie gemäß den Intentionen des Papstes beten, können aus dem Schatz der Kirche einen vollkommenen Ablass erlangen. Es genügt bereits, andächtig eine der genannten Jubiläumskirchen oder den Münchner Dom zu besuchen und dort während einer angemessenen Zeitspanne in eucharistischer Anbetung und Meditation zu verweilen. Das Gebet soll mit dem Vaterunser, dem Glaubensbekenntnis und einer Anrufung Mariens, der Muttergottes, abschließen.

Wozu könnte ich das in Anspruch nehmen? Inhaltlich geht es in einem Heiligen Jahr um eine erneuerte Ausrichtung der persönlichen Geschichte am Leben Jesu Christi. Es ist eine Erinnerung, uns von seinem Leben prägen zu lassen und die Richtung zu überprüfen, die unser Leben genommen hat. Was macht eigentlich meine christliche Karriere? In einem langen Leben kann man drei solcher Heiliger Jahre erleben, in jedem Lebensalter eines. So betrachtet geht es dann in einem solchen Jahr um wesentliche Kursbestimmungen oder Kurskorrekturen, wenn man bedenkt, auf was und wen unser Leben zuläuft. Im Rückblick kann ich mich fragen: Was habe ich von der zurückgelassenen Zeit mitgenommen? Narben, offene Wunden, offene Rechnungen? Beim Gang durch die Heilige Pforte kann ich mich fragen: was soll jetzt mein Herz, meine Gedanken, meine Gefühle bestimmen? Ausdrücke wie: Vielleicht, Möglicherweise, Hoffentlich, Mag´s sein, wie´s will sollen beim Durchgehen durch die Heilige Pforte ersetzt werden, von der Sicherheit, die Gott mir in seinem zuverlässigen Wort gibt: Du bist und bleibt mein Kind. Meine Gnade und mein Segen schenke ich dir erneut.

Das ist das Bild des Jahres 2025, das uns der Glaube an Gott am Beginn dieses Jahres schenkt: die offene Tür, die den Pilger erwartet. In der Offenbarung (3,8) gibt es ein großes Wort: „Ich habe vor Dir eine Tür geöffnet, die niemand mehr schließen kann.“ Gott hat uns eine Hoffnung eröffnet, die keine Macht auf Erden schließen kann. Dass die Hl. Pforte dann doch wieder am Ende des Hl. Jahres verschlossen wird, scheint ein Widerspruch zu sein. Aber das Schließen macht etwas über uns deutlich: Dass wir nicht immer offen sind Gott gegenüber und dass es auch für die Beziehung zu Gott von unserer Seite so etwas gibt, wie die bestimmte Zeit und den besonderen Moment. Da schreitest Du hindurch - oder Du bleibst, wo Du immer warst. Die Heilige Pforte ist nicht dafür da, immer offen zu bleiben, sondern um hindurchzugehen. Das Schließen der HL. Pforte am Ende dieses Jahres fordert uns eben auf, die Gnade, den Segen Gottes in Anspruch zu nehmen, und nicht nur zu sagen, „ja mei, Gott liebt mich, aber seine Liebe brauche ich nicht“. Wer sich immer alles offen hält, kommt nicht vom Fleck auch im alltäglichen Leben. Was immer da ist, kann schnell auch werden, was nie wahrgenommen wird. Vielen guten Dingen geht es so. Selbst Gott könnte es so mit uns gehen. Immer da, doch selten oder nie wahrgenommen.

Wir sind, wenn unser Leben ein Ziel hat, das über persönliche Verwirklichungen hinausgeht, unterwegs zum Guten, zum Guten überhaupt, Gott selbst. Zu bestimmten Zeiten kann das deutlicher in das Bewusstsein kommen. Darum gibt es Heilige Jahre, auch in der persönlichen Lebensgestaltung. Dann beginnt innerlich oder auch äußerlich ein Weg auf ihn zu. Das ist Pilgern. Und weil Gott das Ziel ist, ist das ein Hoffnungslauf. Pilger der Hoffnung. Die Welt geht nicht zum Teufel. Sie kreist auch nicht nur um sich selbst, und um mich selbst schon gar nicht. Ihr Dasein kommt von Gott und hat in ihm ihr Ziel. Wir sind noch nicht am Ziel. Wir sind mit ihm unterwegs, um die Welt auf eine gute Art und Weise in seinem Geist zu gestalten. Gehen wir mit ihm, mit der Mutter Gottes in dieses Neue Jahr! Das heiligt unsere Zeit, die Menschheit und ihre Jahre. So wünsche ich uns ein gesegnetes, gesundes Neue Jahr 2025, Amen!