Einleitung zum Gottesdienst am Palmsonntag 2021

Am Beginn der Pessach Woche, die die Juden in Erinnerung an ihrer Errettung aus der Sklaverei in Ägypten feierten, zog Jesus in Jerusalem ein. Damals versammelten sich Scharren von Menschen in den Straßen, um ihm zuzujubeln. Sie waren erwartungsvoll und hoffnungsvoll – endlich kommt der erwartete Messias, um als König zu herrschen. Jesus wird aber dann Leiden, am Kreuz sterben und auferstehen.
Für uns Christen heute beginnt mit dem Palmsonntag die Heilige Woche. Ihre Heiligkeit spüren wir zusammen mit Christen auf der ganzen Welt, wenn wir innerlich verbunden unseren Herrn in diese Woche begleiten und heute mit den Palmzweigen in den Händen ihn in unseren Herzen einziehen lassen  mit seiner Liebe, Gnade und Segen.
Ganz besonders nehme ich die Mitglieder unserer Pfarrgemeinden ins Gebet dieser Heiligen Messe, die erkrankt sind oder die daran teilnehmen wollten aber keinen Platz mehr bekam aufgrund des Hygienekonzepts in unserer Kirche.

So lasst uns zum Beginn um die Segnung der Palmzweige bitten.
Allmächtiger, ewiger Gott, segne + diese grüne Zweige, diese Palmbüschel und Palmstöcke, die Zeichen des Lebens und des Sieges, mit denen wir Christus, unserem König huldigen. Mehre unseren Glauben und unsere Hoffnung, erhöre gnädig unsere Bitten und lass uns in Christus die Frucht guter Werke bringen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn!

Predigt

Wenn Jesus auf einem Esel in Jerusalem „einzieht“, dann ist das eine so verblüffende wie vieldeutige Szene. Kein Herrscher, der Eindruck schinden möchte, wählt für den Einzug in seine Stadt ein solches Tier, ein Esel. Hoch zu Ross und hochgerüstet wird er einziehen, zusammen mit unzähligen Nebendarstellern, um Furcht und Respekt den Zuschauer einzujagen. Jesu Ritt auf den Esel ist jedoch ein Stück „verdrehte Welt“, eine Provokation, versehen mit einer Portion Humor auch wenn er nichts bei den kommenden Ereignisse zu lachen hat.
Der Theologe Fulbert Steffensky erklärt die Kraftquelle für die Haltung Jesu so: „Ich gehe mit meinem Glauben sozusagen eine Wette ein, dass das, was dem Leben angetan wird, nichts Endgültiges ist, dass die Güte des Lebens größer ist als der Schmerz.“ Diese Güte des Lebens ist für den Theologen Gott selbst.

Der Autor Wolfgang Raible schreibt: Wer die Karwoche als „Palmesel“ beginnt, der könnte sie als „Osterlamm“ beenden: Ein Familienspiel als Einladung zu einer Mitfeier der Heiligen Woche mit wachen Sinnen.
Damit nimmt er Bezug auf eine Neckerei, die früher und teilweise auch heute noch in manchen Regionen Bayern  in Familien geschieht. Wer am Palmsonntag als letzter aufgestanden ist, der ist der Palmesel den ganzen Tag. Vielleicht kennen Sie selbst den Brauch aus Ihrer Kindheit, an denen Sie mit dem Spruch „Du bist der Palm-Esel“ am Frühstückstisch empfangen wurden, weil Sie als Letzter der Familie aus dem Bett gekrochen sind. Wussten Sie, dass man auch die Langschläfer von Gründonnerstag bis Karsamstag mit zum Teil recht derben, aber nicht bös gemeinten Schimpfwörtern auf den Arm nimmt?
Ob dieser alte Brauch einmal eine tiefere Bedeutung hatte, lässt sich nicht mehr feststellen. Man könnte ihn allerdings verstehen als spielerisch-humorvolle Aufforderung: Verschlafe nicht die wichtigste Woche des Kirchenjahrs! Gehe bewusst in die Tage, an denen wir die Leidensgeschichte Jesu hören und bedenken! Erlebe wach und aufmerksam die Gottesdienste mit ihren eindrucksvollen Symbolen!
 
Am Palmsonntag wird uns vor Augen gestellt, wie die ersten Christen das Kommen Jesu nach Jerusalem deuten. Sie sehen in ihm den bescheidenen und gewaltlosen Friedensfürsten, den der Prophet Sacharja so besingt: „Juble laut, Tochter Zion ... Siehe, dein König kommt zu dir ... demütig ist er und reitet auf einem Esel ... Er wird den Nationen Frieden verkünden“ (Sach 9,9f). Dabei gerät gerade der Esel im Vordergrund, weil er den wahren Friedensfürst tragen darf und kein starker Ross oder fleißiger Kamel. Also es ist keine Schande der Palm-Esel zu sein.  Bei Jesus wird das Lächerliche heilig und das scheinbar Heilige lächerlich.

Den Ausdruck „Gründonnerstagslümmel“ müssen sich dann diejenigen gefallen lassen, die an diesem Tag nicht aus den Federn kommen. Hier kommt die Aufforderung zum Ausdruck, dass man nicht gelangweilt – als „Lümmel von der letzten (Kirchen-)Bank“ – an der Hl. Messe vom Letzten Abendmahl teilnimmt. Denn beim letzten Abendmahl hinterlässt uns Jesus sein Vermächtnis. Er wäscht allen seinen Jüngern die Füße ohne Ansicht der Person und seiner Leistung: dem Petrus, der ihn verleugnen wird und sogar dem Judas, der ihn verraten wird. Er schenkt sich in Brot und Wein für alle Zeiten als Zeichen seiner Hingabe für das Leben der Welt.
Die Riten dieses Gottesdienstes wollen uns hellhörig machen für unseren Auftrag: Einer wird zum Brot für dich – deshalb kannst auch du Brot für andere werden.

Mit dem Titel „Karfreitagsratschn“ werden alle bedacht, die am Karfreitag nicht rechtzeitig aufstehen. Man kann in diesem Rüffel auch eine kleine Warnung mithören: Verbringe den Karfreitag nicht mit Ratschen, mit oberflächlichem Geschwätz oder mit lautem, geschäftigem Treiben, sondern vertiefe dich schweigend und konzentriert in den Weg Jesu ans Kreuz! Wenn uns die Leidensgeschichte eindringlich vorgelesen wird, wenn wir Schritt für Schritt auf das enthüllte Kreuz zugehen und uns so still und behutsam an den leidenden Christus herantasten, wenn uns im Fürbittgebet die Augen geöffnet werden für die Nöte vieler Menschen und wir ihr Leid vor Gott tragen, dann sehen wir immer klarer das Anliegen dieses Tages: Einer leidet mit dir – deshalb kannst auch du anderen deine Mitempfinden zeigen.

Auch am letzten Tag der Karwoche haben die Spätaufsteher den Spott ihrer Familien zu ertragen. Man ruft das wenig schmeichelhafte Wort „Karsamstagsbritschn“ hinter ihnen her. An diesem „Stillen Samstag“ wird zwar kein Gottesdienst gefeiert, aber wer an diesen Karsamstag in die Kirche trotzdem vorbeischaut, wird einige Anregungen zum Nachdenken bekommen: Der nackte Altar – ohne Blumenschmuck, Kerzen und Altartuch – soll an Jesus erinnern und an das Psalmwort,: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden“ (Ps 118,22). Normalerweise ist der Altar aus Stein. Das Heilige Grab, das in manchen Kirchen aufgestellt wird, lädt zum Innehalten und zum Gebet ein. Und das Schweigen der Glocken regt dazu an, selbst still zu werden und sich darauf zu besinnen: Einer ist für das Heil der Welt in den Tod gegangen – auch du kannst mithelfen, dass diese Welt heiler wird.
 
Und jetzt kommt die große Überraschung: Wer am Ostersonntag richtig ausschläft, wird nicht etwa gehänselt, sondern mit dem liebevollen Wort „Osterlamm“ begrüßt. Vielleicht nimmt man an, dass er die lange und symbolträchtige Liturgie der Osternacht besonders intensiv mitgefeiert und sich deshalb einen ausgiebigen Schlaf redlich verdient hat ... er nahm Anteil an die Auferstehung des Osterlammes und wurde somit ein Osterlamm.

Hätten Sie das gedacht, dass ein erheiterndes Spiel uns den Ernst der Karwoche erschließen und vielleicht zu einem aufmerksamen Mitfeiern motivieren könnte?
Niemand, der den Menschen liebt, wird sich mit nackten Gesetzen und ihrer effektiven Durchsetzung begnügen. Das ist für denselben Theologen Fulbert Steffensky klar auch aus dem Blick auf sich selbst. Er sagt: „Kirche ist Durchschnitt, wie ich selbst Durchschnitt bin.“ Was aber kann man vom „Durchschnitt“ erwarten, wie ist unsere übliche Mischung aus Ideal und Inkonsequenz anders zu ertragen als mit Humor?
Dein Heiland braucht kein Machtgehabe eines pompösen Auftritts, um an dir, an die Menschen, das zu vollbringen, was am wichtigsten ist: dich, sie zu lieben und zu retten. Er reitet auf einem mild schauenden aber manchmal auch stures Tier, dem Esel.

Sören Kierkegaard sagt dazu: „Käme Christus jetzt, in unserer Zeit zur Welt, so würde er doch vielleicht nicht getötet werden, sondern vielmehr ausgelacht. Dies ist das Martyrium in der Zeit des Verstandes; in der Zeit des Gefühls und der Leidenschaft wird man getötet.“
Und der Hl. Ambrosius von Mailand sagt: „Lerne vom Esel, wie man Jesus tragen soll. Lerne bereitwillig, ihm den Rücken deines Geistes darzubieten, lerne unter Christus zu sein, damit du über der Welt stehen kannst. Über der Welt, nicht um hochmütig auf sie herabzublicken, sondern um Jesus, den Retter, in diese deine Welt zu tragen“. Denn sie braucht ihn nötigst! Amen!


Hilfestellungen für meine Predigt entnahm ich dem Artikel von Christian Heidrick aus CIG 13/2021 (Christ in der Gegenwart) und dem Artikel von Wolfgang Raible aus „Die Botschaft heute“ Ausgabe von März 2021.